Früchte und Gemüse

Sinnlich, voller Opulenz, kraftstrotzend-diesseitig und geerdet sollen meine Früchtestillleben auf den Betrachter wirken. Manchmal liefert sich eine Frucht ein regelrechtes Farbenduell mit den sie umgebenden anderen Früchten oder sie umfangenden Geschirrteilen oder Tapeten, Tischtüchern und dergleichen. Hier möchte ich natürlich Paul Cézanne nennen, der mich mit seiner Gestaltungsregel der „Modulation“ inspiriert hat, innerhalb eines einzelnen Formgefüges souverän von kalten in Richtung warme Farben zu modulieren.

Ein bewusster Umgang mit den Farbkontrasten steigert die Wirkung eines jeden Stilllebens: der bereits erwähnte Kalt-Warm-Kontrast ebenso wie der Komplementär-Kontrast: Vincent van Gogh absorbierte die bildnerischen Mittel des japanischen Farbholzschnittes, auch andere Pioniere der klassischen Moderne machten den Komplementär-Kontrast zu ihrem wichtigsten Stilprinzip.

Gerne verwende ich perspektivische Tools der klassischen Moderne, wie zum Beispiel eine übersteigerte Perspektive, die ins Flächenhafte umzukippen droht. Ebenso vermeide ich durch eine krasse Draufsicht erfolgreich eine unnötige Raumtiefe. Denn Perspektive in Bildkompositionen ist streng genommen eine Lüge! Ich versuche in meinen Kompositionen eher, farbige Teilflächen in Spannung zueinander zu setzen.

Paul Cézannes Postulat von der Kunst als einer Schöpfung „parallel zur Natur“ hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen: Wer ein Bildmotiv genauer erfassen will, sprich ein naturalistisch-genaues Abbild machen möchte, sollte lieber zum Fotoapparat greifen.

Als Malerin nehme ich mir viele gestalterische Freiheiten heraus: So deute ich die „Stofflichkeit“ meiner Früchte manchmal mutwillig um und verfremde ihre Anmutung: Ich stelle ich mir zum Beispiel vor, dass ein geschälter Apfel eine kleine Holzskulptur sein könnte, die Schale eines Granatapfels aus Papier oder Glas bestünde. Eine Quitte interpretiere ich zum Beispiel kurzerhand als einen weiblichen Rückenakt.

Auf diese Weise entstehen überraschende Anmutungsqualitäten voller Sinnlichkeit, die den Betrachter vielleicht verführen werden – zu einem Augenschmaus.

Marcel Proust kommentierte einst:

Von Chardin haben wir gelernt, dass eine Birne so lebendig wie eine Frau, dass ein gewöhnlicher Tonkrug so schön wie ein Edelstein ist. Der Maler proklamiert die göttliche Gleichheit aller Dinge – vor dem Geist, der sie betrachtet, vor dem Licht, das sie verschönt.“