Gemälde

Abstraktion

Ich hatte mich ab 1990 über zehn Jahre lang fast ausschließlich mit Informel beschäftigt, was auch bedeutet, dass ich irgendwann konsequenterweise die Farbfeldmalerei studiert und ausprobiert habe.

Auch heute male ich gelegentlich abstrakt. Ich tue es vor allem dann, wenn ich meinen Kopf, angefüllt mit allerlei Figurationen, wieder frei bekommen möchte.

Aber wenn ich dann wirklich an einer abstrakten Komposition arbeite, dann versuche ich, aus dem Bauch heraus tiefer und tiefer in die diffuse Bildsprache des Informel einzudringen: Ich lasse mich treiben – und es entwickeln sich dann irgendwann wie von selbst Chiffren, Kürzel und Zeichen, die ich irgendwo in einem Zwischenreich aufgefischt zu haben scheine.

Diese Bildfindungen sind losgelöst vom Ego und folglich auch frei von jeglicher eitlen Selbstinszenierung – etwa in Form von technischen Manierismen oder Effekthaschereien. Dementsprechend unsicher bin ich anschließend auch, die so entstandenen Bilder qualitativ zu beurteilen.

Ohne eine konkrete Bildidee, einen Plan oder Konzept wage ich jedes Mal eine kleine Abenteuer-Reise: Als „Cicerone“ dient mir, wie oben schon angedeutet, einzig und allein mein Bauchgefühl, meine Intuition.

Mein Großhirn ist erst wieder gefordert, wenn es um das Firnissen und Einrahmen des abstrakten Bildes geht.

Albert Weisgerber Serie

In dieser Serie beschäftige ich mich mit dem Maler und Grafiker Albert Weisgerber, der als aufstrebendes Künstler-Talent leider wie viele seiner männlichen Zeitgenossen sein Leben auf einem Schlachtfeld des ersten Weltkrieges verlor, bevor sich sein Individualstil endgültig manifestieren konnte. Meine Konzeption der Serie folgte einer spannenden Frage: In welche Kunstrichtung hätte sich Weisgerber weiterentwickelt, wenn er tatsächlich den Schützengraben überlebt hätte? Ich malte auf der Grundlage historischer Schwarz-Weiß-Fotos Porträts in verschiedenen Stilrichtungen, die für ihn in Frage hätten kommen können – wobei mein persönlicher Tipp in Richtung „Neue Sachlichkeit“ geht. Als guter Zeichner hätte er vielleicht den für sich selbst kurz vor seinem Tod entdeckten Expressionismus irgendwann wieder hinter sich gelassen.
Als Grafiker, der an eine schnelle Umsetzung seiner Motive gewöhnt war, ließ Albert übrigens viele seiner deutlich mehr Zeit erfordernden Öl-Gemälde unvollendet zurück, so auch ein verschollenes Selbstporträt, für das er sicherlich Extra-Skizzen und Studien von Händen hätte vornehmen müssen, um das Bild fertig zu stellen. Ich habe mir daher erlaubt, in meiner Version „Weisgerber im Stil des Verismus“ eine solche Hand, (:seine linke Hand, mit der rechten musste er ja den Pinsel halten), diesmal durchgearbeitete zu zitieren.

Weisgerber in der Maske eines Kriegers

Weisgerber in der Maske eines Kriegers

Interessant ist meiner Meinung nach auch das Gemälde „Weisgerber in der Maske des Kriegers in Schwarz-Rot-Gold“. Der St. Ingberter Künstler war ein begnadeter Selbstdarsteller und Possenreißer, der die Bühne liebte und das Soldatenleben möglicherweise zunächst neben Prestige-Gewinn, auch als spannendes Abenteuer und Rollenspiel (daher die Maskerade als Krieger) ansah. Das angedeutete Hitler-Bärtchen unterhalb der Halbmaske deutet auch auf einen anderen Soldaten seiner Kompanie hin, dessen direkter Dienstvorgesetzter Albert Weisgerber gewesen war: Es handelt sich um einen Gefreiten namens A. Hitler.

In dem Bild „Weisgerber als Ikone“ schließlich setze ich mich leicht ironisch mit dem Hype und Genie-Kult rund um Weisgerber auseinander. Ich selbst lebe seit ein paar Jahren übrigens in Alberts Geburtsstadt – und Weisgerber mäandrierte im gesamten Jubiläums-Jahr 2015 als bedeutendster Künstler des Saarlandes und berühmtester Sohn der Stadt in mannigfaltigen Gestalten und Formationen durch die Region. In der griechisch-orthodoxen Liturgie existieren sogenannte „Kuss-Ikonen“, die mit Goldgrund und collagierten Teilen versehen sind – und die in der Ostkirche im Gottesdienst oder bei Prozessionen sicherheitshalber vor begeisterten Gläubigen mittels Glasscheiben geschützt werden müssen. Durch das Anlegen einer Halb-Mas

Weisgerber-Ikone im Prunkrahmen

Weisgerber-Ikone im Prunkrahmen

ke entzieht sich meine Weisgerber-Interpretation einer eindeutigen Identifizierung und hinterlässt eine eher ratlose Fan-Gemeinde. Was könnte für uns „Erschauer“ und Betrachter nach seiner möglichen Apotheose auf dem irdischen „walk of fame“ überhaupt noch übrig bleiben?

Reliquien in Form von Schreibmappen, Postkarten, Stofftaschen und dergleichen, aber sicherlich auch sehr viele, zeitgeschichtlich interessante Original-Grafiken, einige wirklich tolle Bilder, ein bisschen Sternenstaub und, nicht zu vergessen: ein schillernder Künstler-Mythos, den wir Nachgeborenen der Zeit entrissen haben…

Aber das alte Schwarz-Weiß-Foto-Material: unscharf, Albert in Drauf-oder Untersicht, Plastizität: Fehlanzeige… Eine ziemliche Herausforderung, danach arbeiten zu müssen…. Seine Kinnpartie (wahrscheinlich tendenziell ein „fliehendes“ Kinn) ist mir übrigens ein Rätsel geblieben. Lustig war für mich die Erkenntnis, dass auch Weisgerber mit den gleichen Fotografien gearbeitet und somit auch mit den gleichen Tücken gekämpft zu haben scheint. Nur konnte er natürlich auch zusätzlich in den Spiegel schauen.

Vom Blühen und Welken

Die Arrangements, die ich gerne als „autobiografisch“  bezeichne, diese ganz besonderen Pflanzen und Gefäße wirken zunächst kühl-distanziert – und gleichzeitig auch betörend sinnlich. Dabei handelt es sich nicht um Momentaufnahmen, sondern eher um zeitlich verdichtete und räumlich entrückte Sujets, die vom Blühen und Welken erzählen.

Vielleicht knüpfe ich mit meinen Stillleben an die von mir favorisierte barocke Vanitas-Symbolik an, die um Schönheit, Eitelkeit und deren Vergänglichkeit kreist. Aber auch die hermetischen Bildfindungen des Magischen Realismus haben einen tiefen Eindruck hinterlassen.

Wendet man sich als Betrachter den jeweiligen Gesten der Blütenstände und Blätter emotional zu und begreift ihren Ausdruck, spricht gar von deren „Affekten“, dann lassen sich durchaus Parallelen zu unserer eigenen menschlichen Existenz entdecken: junges, hoffnungsvolles Knospen, pathetisch-laute Inszenierungen erblühter Pflanzen, Theatralik, Verführung, gespreizter Stolz, Kraft und Wildheit, aber auch Melancholie, Introversion bis hin zu einem finalen Blühen, das verzweifelt ein letztes Mal in besonders schöner, zuweilen fremdartig-morbider Farbigkeit vor dem endgültigen Absterben der Blüte aufscheint.

So bilden diese Blumen-Arrangements und ihre geheimnisvollen Gefäße eigentlich das Leben selbst ab, indem sie zwischen Kraft und Zerbrechlichkeit, Schwäche und Aggression oszillieren.

Neben der Magie der Melancholie und der Sehnsucht nach Schönheit enthalten diese Bilder vielleicht auch eine weitere, eher optimistische Botschaft:

„Kunst verwelkt nicht. (…) Wenn der Maler malt, fallen keine Blätter ab, verdorrt kein Grün. (…) So ist in jedem Bild ein bisschen Rebellion gegen das Leben, in dem immer alles, wer weiß warum, vergehen, verblassen, erlöschen muss.“

Zitat: Hans-Joachim Müller, In der Malerei verdorrt kein Grün, FAZ 01.11.2005,S.33

Fische

Fische – jene Lebewesen aus dem Element Wasser – üben auf uns Menschen seit jeher eine große Faszination aus. Sie sind schön anzuschauen mit ihrer stromlinienförmigen Gestalt und der fremdartigen Farbigkeit ihrer Außenhaut.
In Aquarien gelten Fische für manche Zeitgenossen vielleicht sogar als lebendig-schillernde Skulpturen oder Perpetuum Mobiles in einem geheimnisvollen blauen Farbraum.

Unsere Mitgenossen, die Tiere, oftmals von uns Menschen aus unserer persönlichen, bewussten Welt vertrieben und ausgegrenzt, sind dennoch präsent: Sie wohnen unauslöschbar in uns: In Träumen und in Bildern sind sie Gleichnisse für unsere innere Gestalt.
Fische gelten seit uralten Zeiten als Fruchtbarkeitssymbol. Dass man freitags Fisch isst, geht letztendlich auf Venus bzw. Ischtar, die babylonische Fischgöttin, zurück.
Fische symbolisieren ein Leben aus der Tiefe unserer Seele und Gefühle, denn Fische leben, in Analogie dazu, in den Tiefen des Wassers. Sich „wie ein Fisch im Wasser“ fühlen bedeutet, in seinem Element, in seiner Mitte zu sein.
Das Merkmal der Fische ist die Totalität, da sie gänzlich von Wasser umgeben sind, jenem fließenden Element, das für unsere Gefühlswelt steht.

Fische schlafen übrigens mit offenen, lidlosen Augen und bleiben so immer empfänglich für die Außenwelt. Daher stehen sie als Metapher und Traumsymbol für eine hohe Sensibilität .
In der analytischen Psychologie stehen Fische für den Gefühlsbereich der Sexualität. Nach C.-G. Jung stehen sie zugleich für Gedanken und Ahnungen, die aus dem Unbwussten aufsteigen.

Aber Fische sind auch kalt und unfassbar: Ans Land gespült und ihres feuchten Elements beraubt müssen sie im Sinne eines Memento Mori sofort sterben und vergehen.

Fishing for complicity

Schöne Augen, große Augen, aber nicht attraktiv, sondern hypnotisch. Auch um die Farben, die sich magisch schön ineinander weben, braucht sich Monika Fontaine nicht zu kümmern. Das Naturschöne ihrer Fische wirkt aus sich, zieht in sich. Das ganze passt so wunderbar ins Ambiente, fast in jedes: Ton in Ton, gedeckte Farbe. Es schleicht sich ein in jeden Alltag, in jede Wellness, in jedes Wohnzimmer.

Wären da nicht die Augen. Das ist Drama. Das macht aus diesen trockengelegten Schönheiten vanitas pur, das macht sie zu Opfern und zur Quintessenz von Vergänglichkeit. Wer hätte gedacht, dass es dafür keiner üppigen Arrangements von Niederländern bedarf, sondern bloß eines Augenblicks, aus dem Auge eines Fischs?

Das sind nur zwei der wesentlichen Dimensionen von Fontaines Kunst: Die eine lädt ein: Symmetrie, Halbprofil, Ton in Ton und Harmonie. Die andere Seite aber stört, lässt nichts davon genießen, kippt die Deko ins Erlebnis. Wer genauer hinschaut, sieht noch mehr: Fontaine malt nicht gegenständlich, sie malt abstrakt. Es gibt zwar Farbe und Form, aber es gibt kein Oben, kein Unten, es gibt keine Tiefe, und es gibt doch den Zoom, der so nah ist, wie man es in der Natur niemals wagen würde. Natur kennt Fische anders. Wir kennen sie anders. Wir bestaunen sie hinter Glas (im Aquarium), oder zigfach anonymisiert auf Eis im Laden. Aber so nahe, so nahegehend?

Ein Fisch hat nicht viel zu bieten. Meister der Pferdemalerei wie Krüger, Herring, Wouwerman hätten nicht viel Spaß an ihnen gehabt, keine Muskulatur, keine Performance, kein Individuum, kein Wertobjekt, nur Plattheit, Gräten und Schillern. Jeder Fisch ist bloß Fisch, und stets einer von vielen. Wie die vielen Betrachter davor. Die schauen auch intensiv, auf der Suche nach guter Kunst, nach neuen Erfahrungen, vergessen ihr Selbst und finden es leider doch nicht wieder bei so vielem, was sich Kunst nennt und keine ist.

Fontaine wandelt diese Fische in Persönlichkeiten, sie spiegeln die Betrachter, und das ohne Grinsen der Gioconda. Ein Fisch lächelt nicht. Wie wir, wie so viele, die nicht in Best- und Porträtlaune sind.

Aber er hat Magie: sein Blick trifft, hält fest, erinnert, weckt. Was braucht man, was will man mehr von Kunst?

Joachim Fontaine

Koimania

Seit 2006 beschäftige ich mich nun thematisch mit Kois – den besonderen Karpfen mit ihren schillernd-roten, plakativen Zeichnungen auf ihren Fischleibern, die – sobald sie von geschützten Teichen in die Wildnis von Flüssen und Seen entlassen werden, unscheinbar, sprich: farblos werden und ihre individuellen Musterungen und herrlichen Farben verlieren.
Fasziniert von der japanischen Rinpa-School, die im 17. Jahrhundert um den großen Meister Ogata Korin kreiste, versuche ich mich dem Gestaltungskanon der asiatischen Kunst anzunähern.
Die Rinpa-School oder auch Rimpa-School bringt ihre stilisierten Motive traditionell auf Gold- oder Silbergrund auf. Die Technik des Vergoldens mit Kompositionsgold war, technisch gesehen, zunächst eine große Herausforderung, der ich mich stellen musste, um solche über Raum und Zeit erhabene Koi-Figurationen zu entwickeln.

Das Motiv der Kois sucht man in der traditionsreichen Rinpa-School übrigens vergeblich: Die schönen Kois in ihrer jetzigen Form wurden erst im 19. Jahrhundert gezüchtet, so dass ich meine Fische im Spannungsfeld von Illusionismus und Stilisierung selbst entwickeln musste, da ich auf keinerlei Vorbilder in der Kunst jener Zeit zurückgreifen kann.
Kois gelten in der asiatischen Welt als Metaphern für Glück und Reichtum. Auch wir Europäer können uns der Magie dieser Motive mit ihrer Aura von Ikonen, die sich immer wieder kaleidoskopartig neu zu ordnen scheinen, kaum entziehen – sie sind meditativ und gleichzeitig voller Energie. Ich persönlich scheine diesen Kois verfallen zu sein. So erklärt sich wohl auch der Name für meine Serie: Koimania.

Weitere Bilder aus der Serie Koimania finden sich unter dem Menüpunkt Werke –> Gemälde –> Tiere –> Fische –> Koimania

Früchte und Gemüse

Sinnlich, voller Opulenz, kraftstrotzend-diesseitig und geerdet sollen meine Früchtestillleben auf den Betrachter wirken. Manchmal liefert sich eine Frucht ein regelrechtes Farbenduell mit den sie umgebenden anderen Früchten oder sie umfangenden Geschirrteilen oder Tapeten, Tischtüchern und dergleichen. Hier möchte ich natürlich Paul Cézanne nennen, der mich mit seiner Gestaltungsregel der „Modulation“ inspiriert hat, innerhalb eines einzelnen Formgefüges souverän von kalten in Richtung warme Farben zu modulieren.

Ein bewusster Umgang mit den Farbkontrasten steigert die Wirkung eines jeden Stilllebens: der bereits erwähnte Kalt-Warm-Kontrast ebenso wie der Komplementär-Kontrast: Vincent van Gogh absorbierte die bildnerischen Mittel des japanischen Farbholzschnittes, auch andere Pioniere der klassischen Moderne machten den Komplementär-Kontrast zu ihrem wichtigsten Stilprinzip.

Gerne verwende ich perspektivische Tools der klassischen Moderne, wie zum Beispiel eine übersteigerte Perspektive, die ins Flächenhafte umzukippen droht. Ebenso vermeide ich durch eine krasse Draufsicht erfolgreich eine unnötige Raumtiefe. Denn Perspektive in Bildkompositionen ist streng genommen eine Lüge! Ich versuche in meinen Kompositionen eher, farbige Teilflächen in Spannung zueinander zu setzen.

Paul Cézannes Postulat von der Kunst als einer Schöpfung „parallel zur Natur“ hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen: Wer ein Bildmotiv genauer erfassen will, sprich ein naturalistisch-genaues Abbild machen möchte, sollte lieber zum Fotoapparat greifen.

Als Malerin nehme ich mir viele gestalterische Freiheiten heraus: So deute ich die „Stofflichkeit“ meiner Früchte manchmal mutwillig um und verfremde ihre Anmutung: Ich stelle ich mir zum Beispiel vor, dass ein geschälter Apfel eine kleine Holzskulptur sein könnte, die Schale eines Granatapfels aus Papier oder Glas bestünde. Eine Quitte interpretiere ich zum Beispiel kurzerhand als einen weiblichen Rückenakt.

Auf diese Weise entstehen überraschende Anmutungsqualitäten voller Sinnlichkeit, die den Betrachter vielleicht verführen werden – zu einem Augenschmaus.

Marcel Proust kommentierte einst:

Von Chardin haben wir gelernt, dass eine Birne so lebendig wie eine Frau, dass ein gewöhnlicher Tonkrug so schön wie ein Edelstein ist. Der Maler proklamiert die göttliche Gleichheit aller Dinge – vor dem Geist, der sie betrachtet, vor dem Licht, das sie verschönt.“

Landschaften

Über sehr viele Jahre hinweg führte das Sujet Landschaft in meinem Atelier eher ein Schattendasein. Ich vermute, dass dieser Umstand eine Gegenreaktion auf die Begeisterung meines Vaters für die impressionistische Freilichtmalerei war. Zugegeben: es existieren herrliche Landschaftsbilder aus dieser Zeit- vor allem Monets Winterbilder bewundere ich vorbehaltlos.

Interessanterweise öffnet sich mit dem Winter-Thema für mich eine weitere Ebene, nämlich die der Symbolik Absterbens der Natur, ihrer Erstarrung, die wiederum mit der Gewissheit eines Wiedererwachens der Natur im darauffolgenden Frühlings verknüpft ist.
Das Lichtgestöber der Freiluftszene mit ihrer sogenannten „Netzhautmalerei“ reicht mir einfach nicht aus, um einen Malprozess auszulösen. Mir ist diese Malerei im wahrsten Sinne des Wortes etwas zu luftig. Und ein weiterer, gewichtiger Umstand kommt hinzu: Ich male am liebsten in meinem wind-und wettergeschützten Atelier.

Mein Interesse gilt schon immer den Seelenlandschaften der Romantiker, den enigmatischen Landschaften der Symbolisten, und den intensiven Bildern der Nabis, die von Sehnsucht nach Authentizität und der Suche nach der verlorenen Unschuld getrieben waren.
Landschaftsbilder von Edvard Munch und Felix Valloton finde ich ebenso inspirierend wie die köstlichen Farbwelten eines Pierre Bonnard.
Auffälligerweise dominieren in meinen bisherigen Landschaftsbildern Bäume, denen die Menschen schon immer magische Kräfte zugeschrieben haben. Einige von ihnen scheinen in meinen Bildern das Sonnenlicht regelrecht anzuziehen – oder sie breiten aktiv beschützend ihr gewaltiges Astwerk über Wiesen und Feldern aus.

In der Kosmologie der Kelten findet man den sogenannten Weltenbaum. Darunter muss man sich eine Art mythischen Baum vorstellen, der das ganze Universum bedeutet; er hat seine Wurzeln in der Unterwelt, im Unbewussten; sein Stamm ist die Erde, das Bewußtsein; seine Zweige reichen in die Überwelt, ins Transzendente. Und damit ist er letztlich auch ein Symbol der menschlichen Lebensreise.
Eine meiner nächsten Bildserien werde ich dem Sujet Landschaft widmen: Es sollen Bilder nächtlicher Gärten werden, deren Pflanzen in ein geheimnisvoll-fahles Licht getaucht sein werden. Ein erstes Bild der Serie ist schon fertig: ein 70 x 100 cm großer Klatschmohn.

Porträts

Wenn man sich als Malerin für das Thema Porträt interessiert, betritt man ein Gelände voller Tretminen: Da gibt es in Zeiten des Fotorealismus die vielen Gesichter aus Fotokampagnen, Film und Fernsehen, bei denen man sich als Betrachter und Konsument nie sicher sein kann, ob diese „Abbilder“ nicht nachträglich manipuliert wurden. Es gibt natürlich auch den Wunsch der Porträtierten, möglichst vorteilhaft ins Szene gesetzt zu werden. Jeder Mensch hat schließlich ein korrigiertes, seitenverkehrtes und häufig auch geschöntes Idealbild seiner selbst in seiner Vorstellung abgespeichert – und das soll der Maler nun bitteschön möglichst genau so abrufen!
Schon der deutsche Impressionist Max Liebermann beschwerte sich über die hohen Ansprüche seiner Kunden in puncto Porträt-Ähnlichkeit. Ironisch versprach er den Leuten, dass er den Porträts zusätzlich noch beibringen könnte, Papa und Mama zu sagen. Wie aber tritt man als Kunstschaffende in Konkurrenz zur  Fotografie, die ja die Aufgabe der Bildnis-Malerei bereits absorbiert hat? Erkennt sich der Porträtierte im Gemälde überhaupt wieder oder wendet er sich mit Grausen ab, weil er sich unverstanden fühlt – oder sich möglicherweise durchschaut fühlt? Und was bewegt das Porträt einer wildfremden Person, womöglich aus ferner Zeit, im Betrachter selbst? Distanz oder Empathie? Ist es ein Anreiz zur Selbstreflexion?

Wie schön ist es für mich, meine Klientel aus historischen Persönlichkeiten zu rekrutieren, die niemals Einwände gegen meine Interpretationen erheben könnten! Schon seit meiner Studienzeit faszinieren mich die herrlichen „Ritrattos“ (italienisch natürlich „ritratti“)“ und „Konterfeis“ der Renaissance und des Manierismus, all die betörend-schönen Piero della Francescas, Baldovinettis, Pollaiuolos, Settignanos und dergleichen aus dem ausgehenden Trecento und Quattrocento in Italien. Sie sind in ihrer schlichten Komposition ohne Tricks, Prunk,Pracht, farblich und auch Kostüm-technisch noch eher dem Spätmittelalter verpflichtet. In der Hochrenaissance begann der Siegeszug des spanischen Hofzeremoniells – und damit kamen dann auch für lange Zeit all die feierlich-traurigen schwarzen Outfits in Mode. Trendsetter war übrigens kein Spanier gewesen, sondern ausgerechnet ein schmucker Italiener namens Baldassare Castiglione, der in seiner Style-Bibel und Benimm-Schule den perfekten Hofmann („Cortegiano“) kreiert hatte.

Laura Battifferi

Laura Battifferi

Daher habe ich keinerlei Hemmungen, meine historischen Personen wie Papier-Puppen mittels Collage- und Decoupage-Technik neu einzukleiden. Das triste Original-Outfit der Schriftstellerin Laura Battiferri von Agnolo Bronzino, ( nebenbei bemerkt meiner Meinung nach das aufregendste weibliche Profil der Kunstgeschichte !), wurde genauso ausgetauscht wie die Kleider anderer Personen. Der Goldgrund als abstrahierter Hintergrund erzeugt eine synthetische Leerstelle, die vom Betrachter dann symbolisch aufgeladen werden darf. Die Porträtierten geraten unfreiwillig zu Ikonen – auf der Grenze zwischen individuellem Charakter und Kunstfigur.

Großen Spaß hat mir auch das Styling meiner Frida Kahlo-Porträts gemacht: Frisur, Kleidung und Schmuck oder eine präkolumbianische Papageien-Figur aus Ton, ebenso ihre exotisch-indigenen Gesichtszüge sollen nicht Fridas eigene Selbstporträts wiederholen, sondern eher ergänzen und interpretieren. Ich orientierte mich an Frida-Fotografien aus den vierziger und fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Meiner Meinung nach sieht sie auf den Fotos von Gisèle Freund und Nicolas Murray viel hübscher, weicher, sinnlicher aus als auf ihren kraftvollen und doch auch schonungslosen Selbstporträts, die von ihrer Einsamkeit und ihren Schmerzen zu erzählen scheinen, von gelebtem Exotismus und, wie Ingrid Brugger schreibt, von „einem Sichaufbäumen gegen das Sterbenwollen des lädierten Körpers“. Fridas Selbstporträts sind ein Amalgam aus Eros, Eigenschönheit, Hässlichkeit und körperlichen Defiziten. Aus dieser ebenso authentischen wie schonungslosen Bestandsaufnahme ihrer Gesichts- und Körper-Landschaften resultiert letztlich die Raffinesse und auch der emotionale Schock ihrer großartigen Bilder auf der Grenze zur Kunstlosigkeit. Zusammen  On-Off-Ehemann Diego Rivera und Frida formten zusammen jene  wilde und fremdartige, aztekische Prinzessin. Dieses Image hat sich tief in unser kollektives visuelles Gedächtnis eingegraben.  In unserer medialisierten Welt entwickelte sich daraus ihr zeitloser Starfaktor. Diesen anhaltenden Hype um diese Kultfigur mit dem Damenbart und den zusammengewachsenen Augenbrauen, die wie Schwingen eines Vogels zum Flug ansetzen wollen, zapfe ich mit meiner kleinen Serie an.

Frida schien damals, während der Fotostrecke, mit dem Fotoapparat (oder dem Fotograf Murray!) regelrecht geflirtet zu haben. ich bin mir sicher, dass sie ihre Starqualitäten als Ikone und folkloristisches Gesamtkunstwerk genossen hat….

Tiere

Die Beschäftigung mit Tierporträts entspringt meiner generellen Neugier hinsichtlich Gesichtern und ihrer physiognomischen Besonderheiten.

Mit Spiegelneuronen ausgestattet, lernt ja schon ein Kind, in den Gesichtern anderer Menschen zu lesen. Was spricht dagegen, das Gleiche auch mit Hunde-oder Hühnergesichtern zu tun? Schließlich spricht der Buddhismus jedem Tier eine Individualseele zu.

Vor allem das Malen meiner Hühner hat mir persönlich großes Vergnügen bereitet: Ich habe jedes einzelne Huhn vor einer malerischen Tapete inszeniert, deren Muster den jeweiligen Charakter des Huhnes unterstreichen soll. Dabei war es mir wichtig, das Thema Tier-Porträt nicht ins Albern-Pittoreske, Makaber-Skurrile oder Lächerliche abgleiten zu lassen, sondern, soweit überhaupt möglich, einen würdevollen und anmutigen Ausdruck zu suchen. Von Schönheit lässt sich, glaube ich, bei Hühnern wohl eher nicht sprechen, eher von Charakter. Das Porträt des respektablen Hahnes Percy ist von der Anmutung eher einem barocken Herrscherporträt nachempfunden. Dazu hätte wie bei Loveley Cindy einfach keine Blumentapete gepasst.

Ich hatte an einem der Sonntage im Frühsommer 2014 auf einem Demeter-Hof nahe St. Ingbert meine Hühnerbilder openair ausgestellt. Dort lebte zu dieser Zeit nur ein einziges Hofhuhn, besser gesagt eine rebellische Hühnerdame namens Coc-au-Vin, die einzige Überlebende eines nächtlichen Hühnerstall-Massakers durch einen räuberischen Fuchs war. Das einsame Hofhuhn beäugte sichtlich interessiert die um einen Baumstamm gruppierten Hühnerbilder, entschied sich dann tatsächlich, zu Hahn Percy mittels Schnabel-Picken Kontakt aufzunehmen. Oscar Wilde bemerkte einmal: „Die Kunst spricht von Seele zu Seele.“

Alte Puppen

Zu meinem 15. Geburtstag durfte ich mir auf dem Metzer Flohmarkt eine alte Puppe aussuchen. Ich erinnere mich noch, dass es leicht nieselte. Und irgendwo zwischen Kisten und Kästen, Kartons und Kleiderständern entdeckte ich sie dann, meine wunderschöne Puppe. Sie war allerdings etwas ramponiert – mit verfilzter Perücke und zerschlissenem Spitzenkleid. Sie wirkte fragil, verletzlich und etwas morbide – und löste damals sofort meinen Beschützerinstinkt aus.

Aus der Modepuppe entwickelte sich im 19. Jahrhundert die Puppe der Kinderstube, mit der das heranwachsende Mädchen damals übrigens bis zur Pubertät spielte. Danach verschwand das Spielzeug in Kartons, in Schränken und auf Dachböden.
Die Puppen, die ich als Modelle auswähle, sind ausnahmslos zwischen 1900 bis 1930 entstanden. Dabei ist es mir ein Anliegen, jede einzelne Puppe in einem ihr eigentümlichen Farbraum darzustellen.
Das gelingt mir möglicherweise durch die Verwendung subjektiver Farben, d.h. einer Vielzahl warmer und kalter Farbnuancen und Farbkontraste, die von den realen Farben stark abweichen können.
Bei Puppen handelt es sich um staunenswerte Gebilde, um eigentümliche Zwitterwesen. Irgendwo zwischen Mensch und Ding verortet, gleichen ihre Physiognomie-Daten eher stereotypen Bildformeln. Eine wichtige Eigenart, das Moment des Einzigartig-Zufälligen, die sogenannte Okkasionalität, die das Individuum als unverwechselbare Person ausweist, scheint den Puppen zu fehlen. Und trotzdem wirken gerade alte Puppen auf magische Weise beseelt.
Die Ebenmäßigkeit der Gesichtszüge, die Reglosigkeit der teilweise ramponierten Körper, die verwischten Bemalungen im Bereich der Wimpern und Augenbrauen, die knospenartigen Mündchen, die makel- und faltenlose Glätte der Gesichts-Oberflächen, auch die verstaubten Perücken-Frisuren und zerschlissenen Kleidchen lösen beim Betrachter mitunter eine Skala starker Gefühle aus: von Beschützerinstinkten, gepaart mit puppenmütterlicher Wärme und Glückseligkeit, Sehnsucht nach Geborgenheit, bis hin zu Unlust, Unbehagen, Schrecken, Ablehnung und Ekel.

Meine gemalten Puppen würde ich nicht als schön bezeichnen. Sie lösen als Vanitas-Symbole und Metaphern für Vergänglichkeit mit ihren fehlenden oder verdrehten Gliedern, Verschmutzungen, sprich: ihrer mangelnden Perfektion eher Unbehagen aus. Aus den Puppengesichtern blickt eine fremde Kindheit zu uns herüber: Fragil, verletzlich, melancholisch – und dennoch ungeheuer präsent, kraftvoll, sogar tröstlich.
Und all diese Gefühle vermögen es vielleicht, ein Tor zu öffnen: zu unserem eigenen, weit entfernten Kinder-Ich – und vielleicht auch zu der längst verlorenen Kindheit unserer Mütter und Großmütter.